Rektum- und Analkarzinome

Als Mastdarm werden die letzten 16 cm des Darmes bezeichnet. Den Abschluß des Magen-Darm-Traktes bildet der Analkanal. 50% aller bösartigen Darmerkrankungen betreffen diesen eher kurzen Abschnitt, 1-4% davon den Anus.

Trotz der gut zugänglichen Lage und der Möglichkeit diese Tumore bei einer einfachen und routinemäßig durchgeführten rectalen Untersuchung im Rahmen der Vorsorge zu erkennen, werden nur 30% im prognostisch günstigem Stadium I entdeckt. Oft wird der Arztkontakt lange Zeit hinausgeschoben, sodass die Diagnose erst später gestellt werden kann.

Die Tumoren des Rektums gehen zumeist von der drüsenbildenden Schleimhaut des Darmes, die des Analkanals auch vom Plattenepithel aus. Während beim Mastdarmkrebs Männer und Frauen gleich häufig betroffen sind, überwiegen bei Analkarzinom die Frauen. Ab dem 50 Lebensjahr steigt das Risiko für die Entstehung deutlich an, der Altersgipfel liegt im 6. und 7. Lebensjahrzehnt.

Leider ein Tabuthema

Leider stellt der Popo noch immer ein absolutes Tabu für viele dar. Erkrankungen werden lange verschwiegen und die Scham vor einer rectalen Untersuchung ist groß. Zudem bieten sich die Haemorrhoiden als Erklärung für viele Beschwerden lange an, sodass die Diagnosestellung nur verzögert erfolgt. Zusätzlich besteht eine eingeschränkte Akzeptanz gegenüber einer endoskopischen Darmabklärung, der nur durch Aufklärung und Information begegnet werden kann.

Rektum-Karzinome sind oft relativ lange symptomarm. Wie bei den anderen Tumoren des Dickdarms stehen Änderungen der Stuhlgewohnheiten, Verstopfung, zum Teil abwechselnd mit Durchfall, Krämpfe, blutige schleimige Abgänge und Blutauflagerungen am Stuhl im Vordergrund.

Spätsymptome stellen Gewichtsverlust, Blutarmut, aber auch ein Druckgefühl mit Schmerzen im kleinen Becken bei ausgedehntem Tumor, sowie ein langsam zunehmender Darmverschluss dar. Deshalb sollte das Auftreten entsprechender Symptome, vor allem aber bei Blutbeimengungen am Stuhl Anlass für die diagnostische Abklärung des gesamten Dickdarmes, auch bei bekannten Hämorrhoiden sein.

Anale Blutabgänge stellen auch das Leitsymptome des Analkarzinoms in der Mehrzahl der Fälle dar. Darüber hinaus bestehen aber auch oft Schmerzen bei Stuhlgang. Weitere typische Krankheitszeichen sind ein Fremdkörpergefühl am Ausgang, Verstopfung, Blähungen und Juckreiz. Nur bei 10% wird der Tumor im symptomlosen Stadium entdeckt.

Bei geringstem Tumorverdacht sollte eine komplette Abklärung des Rektums und Kolons durch eine Endoskopie erfolgen. Ist dabei eine komplette Untersuchung nicht möglich, so sollte das Kolon röntgenologisch durch ein Kontrastmitteleinlauf abgeklärt werden. Die Endoskopie ermöglicht sowohl eine exakte Diagnose durch eine bioptische Gewebeentnahme und stellt die oberflächliche Ausbreitung des Tumors fest. Darüber hinaus können Zweiterkrankungen im restlichen Dickdarm erkannt und gegebenenfalls behandelt werden (Polypabtragung).

Endosonographie

Eine Aussage über das Tiefenwachstum des Tumors und auch über den Lymphknotenstatus um des Mastdarm liefert der endorektale Ultraschall. Der 1,5 cm im Durchmesser haltende Ultraschallkopf kann ohne wesentliche Beschwerden zu verursachen durch den Anus bis zu der Veränderung vorgeschoben werden. Dieser liefert entsprechende Querschnittsbilder von der Darmwand und den umgebenden Strukturen. Reflexionen an den einzelnen Schichten der Darmwand erlauben eine sichere Aussage über die Eindringtiefe des Tumors mit einer Sensitivität und Spezifität von über 90 %. Auch ein potentieller Lymphknotenbefall kann beurteilt werden, wobei die Genauigkeit hierbei zwischen 68 und 80% liegt.

Computertomographie

Bei fortgeschrittenen Tumoren ist eine Computertomographie mit Kontrastmittel (oral, intravenös und rektal) oder auch eine Magnetresonanztomographie zur Beurteilung der Beziehung des Tumors zu den benachbarten Strukturen, wie Blase, Samenbläschen, Prostata, Kreuzbein erforderlich.

Excisionen im Analbereich

Auffällige Befunde im Analbereich müssen nach sorgfältigen Inspektion und endoskopischer Untersuchung einer Probeentnahme zugeführt werden.

Vorsorge

Da das Risiko für ein Rektum- und Analkarzinom ab dem 40. bis 50. Lebensjahr zunimmt sollte als Vorsorgejährlich eine digital-rektale Untersuchung stattfinden. Mit dieser einfachen Untersuchungsmethode kann bereits 1/3 der Tumore erkannt werden. Eine Untersuchung von drei Stuhlproben auf okkultes (verstecktes, mit dem Auge nicht zu erkennen) Blut sollten alle ein bis zwei Jahre erfolgen. Ab dem 50. Lebensjahr wird eine vollständige Darmuntersuchung, am besten endoskopisch alle 5-10 Jahre empfohlen.

Entsprechend ihrer ursächlichen Bedeutung muss chronischen Infektionen im Analbereich besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zu oft werden Hämorrhoiden als Ursache der Beschwerden angenommen und die Bedeutung der Beschwerden unterschätzt, sodass die richtige Diagnose oft erst mit deutlicher Verspätung gestellt werden kann.

Völlig unterschiedliche Therapiestrategien kommen beim Mastdarm und beim Analkarzinom zum Einsatz. Während die operative Entfernung des Tumors beim Mastdarmkrebs Therapie der Wahl ist, führt die alleinige Bestrahlung für das Analkarzinom bereits zur Heilung.

Kleine, nur auf die Schleimhaut beschränkte Tumore können lokal, das heißt durch den Anus reseziert werden. Dies kann neuerdings auch mit excellenten Ergebnissen mikrochirurgisch durchgeführt werden. Die Belastung für den Patientin ist äußerst gering, sodass auch hochbetagten und intern eingeschränkt belastbaren Patienten dieser Eingriff zugemutet werden kann.

Neue Operationstechniken

Größere Tumore des Mastdarms werden durch einen längeren Bauchschnitt entfernt. Durch die verbesserte allgemeine Operationsvorbereitung, perioperativer Antibiotika- und Thromboembolieprophylaxe, durch verbesserte chirurgische Techniken sowie durch die postoperative Frühmobilisation werden heute Operationsletalitäten (Sterblichkeit) von unter 3% und eine niedrige postoperative Morbidität erzielt. Bezüglich des früher hohen Rezidivrisikos werden derzeit von einzelnen erfahrenen Chirurgen Ergebnisse erreicht, die kaum mehr verbessert werden können. So stellt die Operationstechnik nach Heald mit kompletter Schonung der Nervenäste im kleinen Becken unter kompletter Resektion des umgebenden Bindegewebes gemeinsam mit dem Mastdarm den operativen Standard dar.

Zur Verbindung (Anastomose) der beiden Darmenden nach Entfernung des Mastdarmes hat sich die Maschinennaht in fast allen Zentren durchgesetzt. Nur Analanastomosen werden von Hand mit Einzelknopfnähten hergestellt. Bei technisch schwierigen oder sehr tief gelegenen Anastomosen wird vorübergehend ein doppelläufiger Ausgang im rechten Ober- oder Unterbauch angelegt, um die frische Darmverbindung zu schonen. Dieser wird nach 6 – 12 Wochen durch einen zumeist einfachen Eingriff wieder verschlossen.

Nur bei sehr tief gelegenen Karzinomen muss auch der Schließmuskel entfernt werden. In diesem Fall ist eine Anastomose nicht mehr möglich und ein endständiger Ausgang im linken Unterbauch die Konsequenz. Die Wiederherstellung der Kontinenz nach einer derartigen Mastdarmentfernung ist gelegentlich durch eine Muskelverlagerung vom Oberschenkel um den Ausgang (z.B. durch die dynamische Gracilisplastik) möglich. Diese Methode wird aber nur an wenigen Abteilungen angewandt.

Laparoskopische Verfahren zur Entfernung des Rektumkarzinoms sind Gegenstand klinischer Studien, die die Vorteile der neuen Methoden und die technische Weiterentwicklung möglichen Nachteilen (potentiell eingeschränkte Radikalität oder eine Tumoraussaat durch das Einbringen von Gas in den Bauraum) gegenüberstellen.

Thema: Anus praeter

Ein heikles Thema stellt in jedem Fall der künstliche Ausgang oder Anus praeter dar. Durch eine exakte Anlage und eine einfache Versorgung kann eine weitgehend uneingeschränkte Lebensqualität erreicht werden. Und sobald die Existenz des Ausganges als Folge der Heilung von einer sonst todbringenden Erkrankung verstanden wird erhöht sich auch die Akzeptanz des Anus praeter. Es hat sich bewährt, dieses Thema zu verbalisieren, im Familienkreis oder mit anderen Betroffenen eventuell in Selbsthilfegruppen. Auch Stomatherapeuten können Hilfe und Ratschläge geben, sodass ein künstlicher Ausgang zwar als Veränderung am eigenen Körper akzeptiert wird, aber in keiner Weise ein Leid darstellen muss!

Chemotherapie nach der Operation

Eine zusätzlich vor der Operation durchgeführte (neoadjuvant) Radiochemotherapie wird im Rahmen von Studien beim ausgedehnten Rektumkarzinom angeboten. Ziel ist hier das sogenannte downstaging, das eine derartige Tumorverkleinerung bedeutet mit der Vorstellung unter Umständen einen Schließmuskelerhalt zu ermöglichen.

Die postoperative Therapie

In den Vereinigten Staaten ist die adjuvante Radio- und Chemotherapie für alle Patienten mit großen Tumoren oder mit Lymphknotenbefall Standard. Auch europäische Krebsspezialisten schließen sich diesem Vorgehen an. Als Standard gilt derzeit eine zumeist gut verträgliche Kombinationstherapie (5 FU/Leukovorin), die sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden kann.

Differenziertes Vorgehen beim Analkarzinom

Durch die hohe Heilungsrate bei gleichzeitiger Funktionserhaltung des Schließmuskels gilt heute die primäre und alleinige Radiochemotherapie beim Analkarzinom als Standard. Nur bei unvollständiger Tumorrückbildung bzw. bei sehr ausgedehnten Tumoren, die den Sphinkter infiltrieren, kommt ein radikales operatives Vorgehen in Frage. Dabei wird durch einen Bauchschnitt der Mastdarm mit dem Anus komplett entfernt und ein endständiger Ausgang im linken Unterbauch angelegt (siehe oben).