Divertikel

von Prof.Dr. Albert Tuchmann

Divertikel sind umschriebene Ausstülpungen der Darmwand, die durch einen erhöhten Druck im Bereich der einmündenden Arterien entstehen. Die Divertikel, die sich im Sigmabereich, kurz vor dem Enddarm befinden sind Pseudodivertikel, deren Wand nur von den innersten Darmschichten gebildet wird. Im Unterschied dazu sind die seltenen Divertikel am Beginn des Dickdarms Aussackungen der gesamten Darmwand und zumeist angeboren.

Die Divertikelentstehung wird mit der ballaststoffarmen Kost der westlicher Zivilisation in Zusammenhang gebracht. Faserarme Kost wird langsamer transportiert, außerdem wird zusätzlich ein biochemischer Faktor in schlackenarmer Ernährung angenommen, der zu einer Muskelverkrampfung des Dickdarmes führt.

Die Häufigkeit der Dickdarmdivertikel nimmt mit dem Alter zu. Unter dem 30. Lebensjahr sind Divertikel fast nie zu finden. Dagegen werden bei der Hälfte der über 70 jährigen Divertikel diagnostiziert, wobei in überwiegender Zahl der Sigmabereich betroffen ist.
Die Bezeichnung Divertikulose beschreibt lediglich das Vorhandensein von Divertikeln und ist in der Regel ohne klinische Bedeutung.

Aber während die unkomplizierte Divertikelkrankheit zumeist nur mit einer Passagestörung, Verstopfung, Krämpfen und geringfügigen Bauschmerzen einhergeht stellt die Entzündung der Divertikel, die Divertikulitis, insbesonders die komplizierte Form (Perforation, Ileus, Blutung) eine schwerwiegende und potentiell lebensbedrohliche Erkrankung für den Patienten dar.

Stuhlansammlungen in den Divertikel können zu einer Entzündung der Darmwand führen. Kleinste Perforationen der Darmwand bedeuten ein Übergreifen der entzündlichen Veränderung auf die umgebenden Strukturen. Da meist mehrere nebeneinanderliegende Divertikel betroffen sind entwickelt sich rasch ein ausgedehnter entzündlicher Tumor. Im weiteren kann das Zentrum der Entzündung eitrig einschmelzen (Abszeß) oder in die Bauchdecke und benachbarte Organe (Dünndarm, Harnblase, Bauchdecke) einbrechen und zu einer Fistelbildung führen. Ein Durchbruch in die freie Bauchhöhle stellt die schwerste Komplikation dar.

Anderseits kann ein entzündlicher Divertikeltumor auch ohne Folgen ausheilen. Zumeist kommt es jedoch zu einer Fibrosierung und Narbenbildung und in weiterer Folge zu einer Engstellung (Stenose) im Sigmabereich.

Im Allgemeinen fehlen charakteristische Symptome bei Patienten mit reizlosen Divertikeln. Die unspezifischen Beschwerden ähneln denen des sogenannten Colon irritabile (“Reizdarm”) und sind nicht sicher von diesem abzugrenzen.

Oft werden ziehende Schmerzen im linken Unterbauch, manchmal auch kolikartig angegeben. Fast regelhaft klagen die Betroffenen über Völlegefühl, Blähungen und typischerweise auch über Stuhlunregelmäßigkeiten. Dabei steht der harte Stuhl im Vordergrund

Bei einer Divertikulitis bestimmen die entzündlichen Veränderungen die klinische Symptomatik. Eine Einteilung der Kolondivertikulitis wird nach der Klassifikation nach Hinchey in 4 Stadien getroffen. Im einfachsten Fall ist das entzündlich veränderte Sigma als druckschmerzhafte Walze im linken Unterbauch tastbar. Eine Abszessbildung unterscheidet sich nur graduell von der einfachen Divertikulitis. Typisches Symptom einer Fistelbildung in die Harnblase sind Luftblasen beim Urinieren! Bei einem Durchbruch in die Bauchdecke findet sich an dieser Stelle eine äußerst druckschmerzhafte Schwellung und Rötung.

Der freie Durchbruch in die Bauchhöhle ist gekennzeichnet durch schlagartig einsetzende, stärkste Schmerzen im gesamten Bauchraum. Die Patienten sind durch die Entzündung des Bauchfells und den daraus resultierenden Schockzustand hochgradig beeinträchtigt und gefährdet.

Geringe Blutungen treten in 40% der Divertikelentzündungen auf. Die eigentliche Divertikelblutung ist jedoch zumeist massiv und lebensbedrohlich. Vor allem ältere Patienten mit einem Bluthochdruck können davon betroffen sein.

Bei einer Stenose im Sigma kommt es durch die Einengung zu einer Beeinträchtigung der Nahrungspassage bis zur Ausbildung eines kompletten Darmverschlusses. Zunächst bestehen noch dünne oder flüssige Stuhlabgänge, später Sistieren Stuhl- und Windabgänge komplett. Der Bauch wird unter Krämpfen zunehmend größer, bis letztendlich ein Stuhlerbrechen einsetzt.

Zur Diagnose empfiehlt sich die klassische Methode des Kolonkontrasteinlaufs mit einem wasserlöslichem Kontrastmittel . Dabei können Fisteln oder Engstellen gut zur Darstellung gebracht werden. Idealerweise kann eine Kontrastmittel-Computertomographie bei entzündlichen Divertikelerkrankungen angewendet werden. Sie gibt besonders gut Auskunft über die Gewebeveränderungen außerhalb des Lumens wie Peridivertikulitis, Wandabszeß, perikolischen Abszess und Fistel.

Zur Lokalisation von Blutungen wird ein selektives Gefäßröntgen der versorgenden Schlagader (Angiographie) durchgeführt. Erwähnt werden sollte hier auch eine nuclearmedizinische Untersuchung, die Szintigraphie. Die Erfolgsrate ist jedoch von der sofortigen Verfügbarkeit dieser beiden Untersuchungsverfahren, sowie von einer entsprechend hohen Blutungsaktivität abhängig.

Im akuten Stadium wird von einer endoskopischen Abklärung eher Abstand genommen, da eine Luftinsufflation vermieden werden sollte. Bewährt hat sich die Endoskopie zum Ausschluss einer bösartigen Erkrankung im freien Intervall 3 bis 6 Wochen später. Da sich die Veränderungen auch hauptsächlich um den Dickdarm herum und nicht im Inneren finden, ist die Endoskopie der radiologischen Diagnostik zumeist unterlegen. So zeigen sich bei der Coloskopie lediglich die Divertikelöffnungen in einer geröteten Schleimhaut bei einem enggestellten und oft nicht passierbaren Sigma.

Lediglich bei der massiven Divertikelblutung wird die Coloskopie routinemäßig primär eingesetzt. Auch wenn eine endoskopische Blutstillung endoskopisch eher selten möglich ist, so gelingt es in den meisten Fällen den Ort der Blutungsquelle einzugrenzen, wodurch ein möglicherweise notwendiger chirurgischer Eingriff erleichtert wird.

So hat sich bei den gastrointestinalen Blutungen folgendes Vorgehen bewährt: Coloskopie, Versuch der coloskopischen Blutstillung und konservative Therapie, wenn diese versagt, Laparotomie, intraoperative Darmspülung nochmalige Coloskopie, damit Lokalisation der Blutung und Resektion.

Die unkomplizierte Divertikulose verläuft asymptomatisch und bedarf keiner weiteren Therapie. Als Prophylaxe hat sich die Senkung des Drucks im Dickdarm durch faserreiche Nahrung und entsprechende Flüssigkeitszufuhr bewährt. Weizenkleie, Vollkornprodukte, Obst und Gemüse dominieren die Ernährungsempfehlungen. Pflanzliche Quellmittel und milde abführende Substanzen werden medikamentös verabreicht.

Eine leichtere Entzündung und auch der erste Schub einer schweren Divertikulitis können zumeist konservativ mit Nahrungskarenz, Infusionstherapie, Antibiotika sowie Spasmolytika behandelt werden. Die Indikation zu einer Operation wird bei dem Versagen der konservativen Maßnahmen und bei einem wiederholten Verlauf gestellt. Vor allem beim jüngeren Patienten sollte hier eher großzügig vorgegangen werden, da erfahrungsgemäß das Risiko von späteren Komplikationen ungleich größer ist. Die Empfehlung der European Association for Endoscopic Surgery (EAES) lautet: Operation nach 2 Divertikulitisschüben, da erst nach 1-2 Schüben Komplikationen auftreten.

Grundsätzlich besteht bei einer freien Perforation die Indikationsstellung zur sofortigen Operation. Zurückhaltendes Vorgehen ist jedoch bei der Divertikelblutung angezeigt, da 90% auch der massiven Blutung spontan zu Stillstand kommen. Außerdem kann bei unklarer Blutungslokalisation in dramatischen Fällen auch die komplette Darmentfernung notwendig werden.

Es wird ein einzeitiges Operationsverfahren mit Entfernung des entzündlichen Tumors und primärer Anastomose (das ist die Verbindung und Naht der beiden Darmenden) angestrebt, in akuten Fällen unter Zuhilfenahme der intraoperativen Darmspülung. Bei einer Verunreinigung des Bauchhöhle durch Stuhlbestandteile (Hinchey-Stadium IV), instabilem Patientenzustand sowie zusätzlichen Erkrankungen wird nach Entfernung des betroffenen Darmsegmentes der obere Darmschenkel als Ausgang ausgeleitet (Operation nach Hartmann). Ein Verschluss des Anus praeter ist bereits nach 6 bis 12 Wochen möglich. Für die Entscheidung primäre Anastomose oder nicht spielt der makroskopische Zustand der zu verbindenden Darmenden (gute Durchblutung, eitrige Beläge der Darmwand) eine entscheidende Rolle. Das Ausmaß der Resektion wird nach unten auf den oberen Mastdarm ausgedehnt, um die Hochdruckzone am rektosigmoidalen Übergang mitzuresezieren. Über dem Divertikeltumor wird lediglich “im Gesunden” abgesetzt, ohne auf unauffällig Divertikel im übrigen Darm zu achten.

Die Operation wird mit einem mehr oder weniger langen Schnitt in der Mitte des Bauches durchgeführt. In den letzten Jahren hat sich zunehmend auch die laparoskopische Sigmaresektion etabliert. Dabei wird die Operation nur durch wenige zentimetergroße Schnitte operiert. Lediglich zur Entfernung des Darmes ist ein entsprechend großer Schnitt notwendig. Dieser kann am Nabel, im linken Unterbauch oder oberhalb des Schambeines angelegt werden. Die Operation selbst erfolgt laparoskopisch ähnlich den herkömmlichen Techniken. In einer Multizenterstudie wurden eine Letalität von 1,1% und eine Umstiegsrate zur herkömmlichen Operationstechnik von 7,2 % (bei komplizierten Fällen 18,2% ) angegeben. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass das laparoskopische Verfahren in allen Hinchey-Stadien gut ist, jedoch große Erfahrungen des Operateurs voraussetzt. In einer Vergleichsstudie wies die laparoskopische Sigmaresektion eine gleich große Sicherheit wie die der konventionellen Operation auf.

Die akute, komplizierte Divertikulitis ist als gefährliche Krankheit mit einem entsprechenden Risiko einzustufen. Die Sterblichkeit ist abhängig vom Ausmaß der Bauchfellentzündung und reicht von 9 bis 50%. Lediglich nach elektiver oder frühelektiver Operation der Kolondivertikulose sind gute Ergebnisse zu erwarten.