Polypen des Dickdarms

Polypen sind breitbasig aufsitzende oder gestielt vorgewölbte Neubildungen der Darmschleimhaut. Sie werden entsprechend ihrer Zellstruktur und Architektur unterschieden und eingeteilt.

Polypen sind eigentlich recht häufige Veränderungen des Dickdarms. In einzelnen Untersuchungen wurden Angaben bis zu 70% gemacht, wobei im Schnitt bei 20% der Gesamtbevölkerung ein oder mehrere Polypen festgestellt wurden. Geschlechterspezifisch überwiegen die Männer im Verhältnis von 3:1. Es lässt sich eine Zunahme der Polypen mit dem Alter erkennen. Unter dem 30.Lebensjahr finden sich Polypen eigentlich nur bei Colitis Patienten und bei der familiären Polypose. Ab dem 50. Lebensjahr ist ein deutlicher Anstieg der Häufigkeit zu verzeichnen.

Polypen können in allen Dickdarmabschnitten vom Coecum bis zum Mastdarm vorkommen. Je nach dem histologischen Typ ist eine Prävalenz erkennbar, sodass vor allem villöse Adenome und pseudohyperplasiogene Polypen vor allem im Mastdarm und Sigma zu finden sind. Polypen im Dickdarm können nur wenige mm groß sein und lediglich als kleine Erhabenheit imponieren oder bis mehrere cm groß werden. Meist haben sie einen Durchmesser von 7 bis 20 mm.

Die Bedeutung der Polypen liegt in ihrer Tendenz zur malignen Entartung (Krebsentwicklung).

Kleinere Polypen bleiben zumeist klinisch stumm (das bedeutet, dass diese den Patienten überhaupt nicht auffallen).
Mit zunehmender Größe der Polypen kommt es zu Blutungen, wobei die Größe mit der Blutungsfrequenz korreliert. Unerheblich dabei ist, ob das Blut auf dem Stuhl aufgelagert ist oder nur bei der Reinigung des Anus auffällt.

Bei den villösen Adenomen des Mastdarmes kommt es vor allem zu schleimigen Abgängen. Diese können erhebliche Ausmaße annehmen und zu auffallenden Flüssigkeitsverlusten führen. Durch den massiven Elektrolyt und Wasserverlust kann sich sogar ein Nierenversagen entwickeln.

Entsprechend große Polypen bedingen eine Passagebehinderung. Je nach dem Füllungszustand des Darmes klagen die Patienten über diffuse Schmerzen im Bauchbereich. Vor allem eine Blähung im rechtsseitigen Dickdarm bis in die Appendixregion wird als schmerzhaft beschrieben. Hier lässt sich auch eine walzenförmige und druckschmerzhafte Resistenz tasten. Selten kommt es zur vollständigen Okklusion des Darmes mit allen Anzeichen eines Ileus (Sistieren von Wind und Stuhlabgängen, aufgetriebenes Abdomen, Übelkeit und Erbrechen).

Gelegentlich (sehr selten) können sich Polypen mit einem langen Stiel derart verdrehen (torquieren), dass die arterielle Durchblutung des Polypen behindert wird. Dabei bestehen heftige abdominelle Beschwerden in Verbindung mit blutig stinkenden Abgängen.

Gestielte Polypen im untersten Mastdarmbereich treten durch den Prolaps nach außen in Erscheinung. Zumeist verursacht dieser Vorfall aber wenig Schmerzen und ist für viele Patienten nur ein hygienisches Problem.

Polypen im Enddarmbereich können oft sogar durch den tastenden Finger (rectale digitale Untersuchung) diagnostiziert werden.

Durch einen Einlauf mit Röntgenkontrastmittel und anschließendem Einblasen von Luft könnten nach einer entsprechenden Vorbereitung bereits die meisten Polypen röntgenologisch erkannt werden. Doch zeigt sich im Routinebetrieb, dass ein hoher Prozentsatz der Polypen, die kleiner als 10 mm sind, nicht diagnostiziert wird.

Der Grund liegt oft in einer nicht ausreichenden Darmreinigung, wobei verbliebene Stuhlreste nicht von anderen Veränderungen unterschieden werden können. Auch eine ausgeprägte Divertikulose erschwert die Diagnostik im ohnehin oft schwer einsehbaren Abschnitt vom Sigma zum Mastdarm.

Die endoskopische Untersuchung ermöglicht in den meisten Fällen eine genaue Diagnose. Einen entscheidenden Stellenwert nimmt die histologische Untersuchung ein. Die Polypen werden speziell bearbeitet und hauchdünn geschnitten. Danach werden diese Schnitte eingefärbt und mit einem hochauflösenden Mikroskop beurteilt. Die Histologie ermöglicht eine genaue Klassifikation der unterschiedlichen Polypen.

Neoplastische Polypen

Neoplastischen Polypen werden als Adenome bezeichnet. Sie entstehen durch ein umschrieben verstärktes Wachstum der Dickdarmzellen. So bildet sich lokal eine dichte Anhäufung von drüsigen Strukturen. Diese Zellen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Differenzierung von den normalen Schleimhautzellen; sie sind unreif und weisen unterschiedliche Grade von Atypien auf.

Grad 1: Adenom mit leichten Zellatypien
Grad 2: Adenom mit mäßigen Zellatypien
Grad 3: Adenom mit schweren Zellatypien

Die Graduierung korreliert mit direkt mit der Möglichkeit der malignen Entartung (Krebsentstehung). Eine dünne Muskelschicht (Muscularis mucosa) trennt die Schleimhaut von den darunterliegenden Darmwandschichten. Durchbrechen die atypischen Zellen der Schleimhaut diese Grenzschicht, dann sprechen wir von einem Karzinom.

70% der neoplastischen Polypen sind tubuläre Adenome, die von den Drüsen ausgehen. Zumeist sind sie gestielt und kommen in allen Darmabschnitten vor. Die statistische Entartungswahrscheinlichkeit liegt bei Polypen unter 10 mm bei 1%. Bei größeren Polypen kann das Risiko bis auf 50% ansteigen. Villöse Adenome machen 10% der neoplastischen Polypen aus und bestehen hauptsächlich aus schleimproduzierenden oberflächlichen Zellen. Villöse Adenome sind zumeist breitbasig, beetartig aufsitzend und finden sich oft im Enddarmabschnitt. Sie neigen in hohem Prozentsatz zum neuerlichen Wachstum nach unvollständiger Entfernung und haben ein Krebsrisiko von 20-40%.

Hyperplastische (metaplastische) Polypen

Diese lokale Schleimhauthyperplasie entsteht zumeist reaktiv, wobei die auslösende Ursache meist unbekannt ist. Hyperplastische Polypen sind zumeist klein (3-5mm), oft multipel vorkommend und in allen Darmabschnitten, zumeist jedoch im Enddarm lokalisiert. Hyperplastische Polypen sind immer gutartig!

Entzündliche Polypen (Pseudopolypen)

Entzündungen des Dickdarms führen reaktiv zur polypösen Veränderung der Schleimhaut. So werden Pseudopolypen beim Morbus Crohn, bei der Divertikulitis und bei 10% aller Colitis ulcerosa Patienten angetroffen.

Seltene Polypenformen finden sich bei Schwellung des unter der Schleihaut liegenden Lymphgewebes. Auch gutartige Fettgeschwülste können als Polypen imponieren. Selten, aber folgenschwer sind die meisten vererbten Polyposeformen (Adenomatosis coli, Gardner-Syndrom), die ein 100% Karzinomrisiko aufweisen.

Die Entfernung eines Polypen (Polypektomie) ist bei allen Polypen indiziert. Dabei kann die Abtragung endoskopisch im Rahmen der Coloskopie oder operativ durchgeführt werden. Selbstverständlich wird eher die weniger belastende Methode angewandt, auf jeden Fall aber eine vollständige Abtragung angestrebt.

Limitierend für die endoskopische Technik ist bei gestielten Polypen die Größe des Stiels, bei breitbasigen Polypen die Ausdehnung in der Schleimhaut. Über die obere Grenze gibt es keine einheitliche Angabe. Polypenstiele bis zu einem Zentimeter sind problemlos zu durchtrennen. Größere, bis zu 3 cm, sind technisch anspruchsvoll und verantwortungsvollerweise nur im Rahmen eines Spitalsaufenthaltes anzugehen. Abtragungen von über 3 cm breiten Veränderungen blieben bislang nur einigen mutigen Endoskopikern vorbehalten, sind jedoch durch neue Entwicklungen und Techniken zunehmend breiter verfügbar.

Was passiert bei einer Polypektomie?

Kleinste polypoide Erhabenheiten werden mit einer Biopsiezange entfernt. Zur Abtragung der größeren Polypen hat sich die Diathermieschlinge als Standard bewährt. Bei dieser Methode wird der Polyp mit einer Art Lasso eingefangen. Die Schlinge wird um den Stiel oder um die Basis des Polypen gelegt und zusammengezogen. Durch die Applikation einer genau definiert Stromenge auf die Stahlschlinge wird das darin befindliche Gewebe unter Hitze durchtrennt und die Blutgefäße gleichzeitig verschlossen. Bei gestielten Polypen ist es sinnvoll den verbliebenen Stiel mit einem Clip zusätzlich zu sichern. Dabei wird ein zunächst geschlossener Clip durch einen dünnen Kanal des Endoskops durchgeführt. Mit einer speziellen Sonde wird der Clip im Darm geöffnet und gezielt an dem Stiel herangeführt und neuerlich verschlossen. Damit löst er sich von der führenden Sonde, die nun entfernt wird.

Breitbasige Polypen werden als erster Schritt mit einer Flüssigkeit unterspritzt. Das bedeutet, dass die oberflächlichste Schicht mit dem Polypen von den darunterliegenden Schichten abgehoben wird. Mit kleinen Strommarken wird die Resektionsgrenze markiert und dann mit einer speziellen Schlinge mit kleinsten Wiederhäkchen die Schleimhaut gefasst. Zurück bleibt ein Schleimhautdefekt von bis zu mehreren Zentimetern Durchmesser. Dieser kann so belassen oder auch mit Clips verschlossen werden.

Zur besseren Darstellung können die Polypen auch eingefärbt werden (Chromographie). Dabei wird ein Farbstoff über die Schleimhaut gesprüht, neuerdings auch in die Mucosa injiziert. Nun färbt sich der Polyp anders als sie umgebende Schleimhaut an und kann in seinem vollen Ausmaß erkannt werden. Vor allem im oder unter dem Schleimhautniveau gelegene Veränderungen werden erst durch die Chromoendoskopie deutlich sichtbar.

Die Polypektomie ist für den Patienten schmerzlos und bei kleineren Polypen ambulant durchführbar. Bei größeren Polypen sollte wegen des Risikos einer Nachblutung (das in Korrelation zur Größe des Polypen steht) der Patient stationär für einen Tag überwacht werden. Im Falle einer Nachblutung kann diese in den meisten Fällen endoskopisch gestillt werden oder steht von alleine. Ganz selten ist eine operative Blutstillung erforderlich. Die schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation (Durchbruch). Durch die Hitzeeinwirkung des Koagulationsstromes wird in seltenen Fällen bei der Abtragung breitbasiger Polypen im eher dünnwandigen rechtsseitigen Darm eine Schädigung der Darmwand verursacht. Eine freie Perforation in die Bauchhöhle muss operiert werden, wobei die Prognose sehr gut ist.

Wann ist eine Operation erforderlich?

Alle größeren Polypen können nur durch einen operativen Eingriff entfernt werden. Für breitbasige Polypen im Mastdarm kommt idealerweise die transanale endoskopische Mikrochirurgie zu Einsatz. Sollte diese Technik nicht verfügbar sein, werden diese Polypen durch den Anus in herkömmlicher Weise entfernt und die Schleimhaut übernäht. Polypen in den anderen Darmabschnitten müssen durch einen Bauchschnitt oder in letzter Zeit zunehmend häufiger laparoskopisch (das heißt mit wenigen kleinsten Schnitten, sonst aber genau wie mit Bauchschnitt) entfernt werden. Das operative Ziel ist die Resektion des polyptragenden Darmsegmentes und die Wiederherstellung der Darmkontinuität. Die Komplikationen entsprechen denen der Darmchirurgie und sind durch eine mögliche Nachblutung, Wundinfektionen und im schwerwiegenden Fall durch die Störung der Wundheilung des Darmes charakterisiert.

Da die lokalen Resektionsverfahren im Mastdarm, wie z. B. die transanale Mikrochirurgie weitgehend komplikationsarm angewandt werden, gehen die zukunftsweisenden Anstrengungen dahin, diese Verfahren auch in den anderen Darmsegmenten zur Anwendung zu bringen. Erwähnt sei hier vor allem Prof. Buess, der derzeit eine Technik perfektioniert um breitbasige Polypen im Sigma zu entfernen (Näheres in Kürze in Chirurgie-Online/News).