Die Blinddarmentzündung

Die Entzündung des Wurmfortsatzes des Blinddarmes ist eine der häufigsten Krankheiten des Magen-Darm Traktes überhaupt. Dabei kann die Appendicitis in jedem Lebensalter vorkommen, besonders häufig aber schon im Kindes- oder Jugendalter.

Zunächst ein wenig Anatomie

Der Dünndarm mündet im rechten Unterbauch seitlich in den aufsteigenden Schenkel des Dickdarms. Der blind endende Abschnitt unterhalb der Einmündung wird als Blinddarm bezeichnet. Von dem untersten Pol des Blinddarmes geht ein zumeist 5 bis 7 cm langer und 1 cm im Durchmesser haltender Gang ab. Dieser Anhang trägt den Namen Appendix oder wegen seines oft wurmartigen Aussehens “Wurmfortsatz”. Eine Funktion im Hinblick auf die Nahrungsverdauung wird dem Wurmfortsatz nicht zugeschrieben. Allerdings dürfte er aufgrund seines Reichtums an Lymphfollikeln eine gewisse immunologische Bedeutung haben. Der Begriff Blinddarmentzündung ist umgangssprachlich gebräuchlich, entspricht jedoch nicht den Tatsachen, da es sich zumeist nur um die Infektion im Appendixbereich und nicht im Bereich des Blinddarmes handelt.

Wie kommt es zur Entzündung?

Die Ursache der Entzündung ist zumeist durch den Verschluss des Appendixabganges durch Stuhlreste verursacht. Unterhalb dieser Stuhlreste kommt es durch die Stauung zur Schädigung der Darmwand. Kleinste Gefäßverschlüsse, Durchblutungsstörungen der Wand und eine Durchwanderung der Schleimhaut durch Darmbakterien sind die Folge.

Auffallend ist, dass Entzündungen in allen anderen Darmabschnitten eine hohe Spontanheilungsrate auswiesen. Im Unterschied dazu führt die Entzündung des Wurmfortsatzes ohne entsprechende Therapie zu einer progredienten Verschlechterung mit dramatischen Folgen.

Die Entzündung des Wurmfortsatzes kann in unterschiedlicher Stärke und Ausprägung auftreten. Gemeinsam in allen Stadien ist der Schmerz im rechten Unterbauch.

Die einfache akute Appendicitis besteht in einer Schwellung des Wurmfortsatzes bis zu oberflächlich eitrigen Belägen (phlegmonöse Appendicitis) an der Außenwand (Serosa). Die Beschwerden beginnen mehr oder weniger rasch entweder in der Mitte im Oberbauch, um die Nabelgegend oder auch gleich im rechten Unterbauch. Nach einigen Stunden konzentriert sich die Schmerzhaftigkeit nur noch an die typische Stelle im rechten Unterbauch. Als Entzündungszeichen kommt es in vielen Fällen zum Anstieg der Körpertemperatur. Eine Folge der fieberhaften Temperaturen sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Mit fortschreitender Entzündung verringert sich die Darmtätigkeit und der Appetit.

Perforation und perityphlitischer Abszess

Bei einem Durchbruch (Perforation) bestehen schlagartig heftige Schmerzen mit einer Abwehrspannung der Bauchdecken. Die zumeist kleine Lücke wird zumeist von den umgebenden Darmschlingen abgedeckt, sodass es nur selten zu einer ausgedehnten diffusen Bauchfellentzündung kommt. Die Reaktion des Bauchfells ist jedoch oft derart, dass die Patienten eine Schonhaltung (in Seitenlage mit angezogenen Beinen) einnehmen. Berührungen der Bauchdecke und Erschütterungen des Bauchraumes werden kaum mehr toleriert.

Nach einer unbehandelten akuten Entzündung oder einer unerkannten Perforation entwickelt sich durch die Infektion des umgebenden Gewebes ein Abszess um den Wurmfortsatz. Vor allem ältere Patienten sind hiervon betroffen. Die Symptome sind oft uncharakteristisch, die länger bestehenden Schmerzen sind nicht nur im rechten Unterbauch lokalisiert.

Besondere Erwähnung findet die chronische Appendizitis. Es ist umstritten ob es sich dabei um ein eigenes Krankheitsbild handelt. Zumeist wird diese klinische Diagnose als Verlegenheit bei wiederholten unspezifischen Beschwerden im rechten Unterbauch gestellt. Häufiger sind jedoch Entzündungen der Eileiter oder geplatzte Eierstockzysten bei jungen Frauen oder eine Dickdarmblähung Ursache der Beschwerden als Narben und Verwachsungen nach rezidivierenden Infektionen des Wurmfortsatzes.

Die Diagnose der akuten Appendizitis ist eine Domäne der klinischen Untersuchung. Bei keiner anderen Erkrankung muss sich der Untersucher derart auf die Krankengeschichte und den Eindruck durch seine tastende Hand verlassen können, wie bei der Entzündung des Wurmfortsatzes.
Als Leitkriterium gilt zunächst der lokalisierte Druckschmerz im rechten Unterbauch, gegebenenfalls auch der Loslassschmerz links (bei der Untersuchung wird mit den Händen sorgfältig ein Druck im linken Unterbauch ausgeübt, beim Loslassen verspürt der Erkrankte die Schmerzen im rechten Unterbauch). Charakteristisch ist auch eine relativ kurze Erkrankungsdauer sowie ein Temperaturanstieg mit einer deutlichen Differenz bei ororectaler Messung.

Bildgebende Verfahren nur zur Differentialdiagnose

Mithilfe des Ultraschalls kann von erfahrenen Untersuchern der Wurmfortsatz zwar dargestellt werden, die Ergebnisse sind jedoch zumeist nicht sensitiv genug. Notwendig wird die Ultraschalluntersuchung jedoch bei der Abgrenzung zu anderen Erkrankungen, wie z.B. bei Zysten der Eierstöcke oder Raumforderungen im Unterbauch aus anderen Ursachen. Abszesse im rechten Unterbauch lassen sich meist mit dem Ultraschall, besser allerdings mit einer Computertomographie nachweisen.
Die früher oft angewandte Röntgenkontrastdarstellung der Appendix wird wegen der zu geringen Aussagekraft dieser Technik heute kaum mehr angewandt.

Die Endoskopie selbst hat in der Diagnostik der Appendix keinen Platz. Bei unklarer und nicht hochakuter Symptomatik ist jedoch eine endoskopische Untersuchung des Dickdarms zum Ausschluss von einem Morbus Crohn (siehe dort) oder zum Nachweis eines Karzinoms indiziert.

Von den Laborbefunden ist eine Erhöhung der weißen Blutkörperchen über 10.000 typisch aber nicht obligat. Alle anderen serochemischen Parameter sind zumeist im Normbereich.

Da sich mit der klinischen Diagnosestellung die Indikation zu einem chirurgischen Eingriff ergibt, muss dieser besondere Beachtung gewidmet werden. Um Patienten mit einem unklaren Befund eine unnötige Operation zu ersparen, werden diese stationär aufgenommen und kurzfristig kontrolliert. Kommt es innerhalb von 12 bis maximal 24 Stunden nicht zu einer deutlichen Besserung wird der Patient der Operation zugeführt.

Die Technik der Appendektomie ist standardisiert, einfach und komplikationsarm. Über eine mehr oder weniger lange Incision im rechten Unterbauch, kosmetisch in der Spaltrichtung der Haut kann der Wurmfortsatz vom Dickdarm abgetragen und entfernt werden.

Bei einem perityphlitischen Abszess wird der operative Eingriff schon aufwendiger und komplizierter. Zumeist ist ein Hautschnitt in der Mittellinie vom Schambein bis über den Nabel notwendig um die verbackenen Darmschlingen voneinander zu lösen und den Abszess zu entleeren.

Konventionell versus laparoskopisch

In den letzten Jahren wird die Entfernung des Wurmfortsatzes auch laparoskopisch durchgeführt. Dabei wird zunächst über eine dünne Kanüle der Bauchraum mit Stickstoff bis zu einem definierten Druck aufgefüllt. Dann wird am Nabel eine Optik eingebracht, die Bilder an einen Monitor überträgt, über welchen die Operation gesteuert wird. Durch 2 weitere kleine Hautschnitte können spezielle Instrumente eingebracht werden, mit denen der Wurmfortsatz abgetragen und entfernt werden kann. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die laparoskopische Technik routinemäßig keine entscheidenden Vorteile mit sich bringt. Doch bei unklaren Schmerzen im rechten Unterbauch lässt sich durch die Laparoskopie jedoch auch der gesamte Bauchraum beurteilen und gegebenenfalls gleichzeitig behandeln. Auch stark fettleibige Patienten profitieren von den laparoskopischen Technik, da anderenfalls zumeist ein größerer Bauchschnitt erforderlich wird, was mit größeren postoperativen Beschwerden verbunden ist.

Welche Komplikationen können vorkommen?

Die häufigste postoperative Komplikation stellt der Wundinfekt dar. Dieser ist abhängig von der Technik (seltener bei laparoskopischen Eingriffen) und vom Grad der Entzündung (bei der chronischen Appendizitis 0,5-1%, bei der akuten Appendizitis 1-5%, bei der Perforation bis zu 20%). Die Therapie besteht in der Entfernung der Hautnähte und dem Spreizen der Wunde. Dadurch entleert sich das Wundsekret und die Infektion heilt rasch ab.
Als Spätfolgen einer Blinddarmoperation gelten Verwachsungen, die in 1% zu einem Darmverschluss führen.

Dass die Appendizitis nicht zu verharmlosen ist, zeigen Sammelstatistiken, die eine Gesamtsterblichkeit von ca. 1% angeben. Bei älteren Patienten und beim Durchbruch steigt der Prozentsatz auf bis zu 5% an.