Pankreatitis – Die akute Bauchspeicheldrüsenentzündung

Eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse beeinflusst nicht nur das Organ und seine Umgebung selbst, sondern wirkt durch toxische (“giftige”) Abbauprodukte, die über die Blutbahn abgegeben werden auf den gesamten Körper. Auf diese Weise kann sich ein medizinisch oft nicht mehr beeinflussbarer und lebensbedrohender Zustand entwickeln.

Ein wenig Anatomie und Physiologie

Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) wird in 3 Abschnitte eingeteilt – Kopf, Körper und Schwanz. In einem Bogen legt sich der Zwölffingerdarm um den Kopf, der Körper liegt hinter dem Magen und direkt vor den großen Blutgefäßen des Bauches, der Hauptschlagader und der unteren Hohlvene. Der dünne Schwanz reicht weit nach links bis zur Milz hinüber. Die Drüsenzellen produzieren ein Sekret, das über einen Hauptgang, den sogenannten Ductus Wirsungianus in den Zwölffingerdarm abgegeben wird. Dort mündet auch der Hauptgallengang, wodurch die enge Beziehung mit Erkrankungen im Gallengang eine Erklärung findet.

Die Funktionen der Drüse sind vielfältig. Zunächst sezerniert sie ein alkalisches Sekret, das die Magensäure neutralisiert. Die klare Flüssigkeit der Drüse enthält auch die für die Eiweiß- und Fettverdauung notwendigen Enzyme (vom Körper produzierte Wirkstoffe). Eine zentrale Rolle spielt die Bauchspeicheldrüse auch für den Blutzuckerspiegel, der durch die Sekretion von Insulin und Glukagon reguliert wird.

Alkohol und Gallensteine

Eine entzündliche Reaktion der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) kann durch unterschiedlichste Reize ausgelöst werden. Alkohol und Gallensteine sind die beiden Hauptursachen einer Pankreatitis. Die genauen Mechanismen sind noch nicht restlos geklärt, auch nicht warum ein und dieselbe Ursache bei einem Menschen keine Reaktion auslöst, bei einem anderen jedoch zu einer schweren Entzündung bis zum Zelltod führt. So dominiert der Alkoholkonsum als Ursache bei den Männern, wobei die Erkrankung zumeist vor dem 5. Lebensjahrzehnt beginnt. Die alkoholische Genese ist bei regelmäßigem überhöhtem Konsum wahrscheinlich, bei mäßigem Verbrauch aber nicht ausgeschlossen. Steine im Gallengang können durch die gemeinsame Mündung auch einen Stau im Pankreas bedingen und dadurch die Reaktion des sensiblen Organs in Gang setzen. In diesen Fällen dominiert das weibliche Geschlecht mit einem Altersgipfel zwischen 60 und 70 Jahren.

Seltenere bekannte Ursachen sind Bauchtraumen und operative Eingriffe. Aber auch die Kontrastmittelfüllung der Bauchspeicheldrüse bei einer ERCP kann zu einer schwersten Reaktion der Drüse führen.

der weitere Verlauf

Eine Entzündung der Drüse kann komplett ausheilen oder zu einer teilweisen Einschränkung der Funktion führen. Vor allem bei chronischem Alkoholmissbrauch sind wiederholte Schübe keine Seltenheit. Zumeist geht die akute Entzündung in diesen Fällen in eine chronische Verlaufsform über. Nach einer akuten Entzündung können sich im Organ an den am stärksten betroffenen Abschnitten auch Zysten entwickeln. Diese sind flüssigkeitsgefüllt und erreichen oft eine beträchtliche Größe. Durch den Druck auf umgebenden Organe werden sie klinisch auffallend. Dramatisch kann auch die Einblutung in eine solche Zyste werden.

Typisch für eine Pankreatitis sind plötzlich eintretende, heftige und kontinuierliche Schmerzen, besonders um den Nabel und im linken Oberbauch mit häufig gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken. Die Abwehrspannung des Bauches ist ein führender Befund. Gehäuft tritt Übelkeit, oft auch Erbrechen, auf.

Über das Ausmaß der Entzündung

Die weiteren Beschwerden werden durch das Ausmaß der entzündlichen Veränderungen bestimmt. Die leichteste Form einer Bauchspeicheldrüsenentzündung (ödematöse Pankreatitis) ist durch die vermehrte Flüssigkeitsansammlung und die Schwellung des Organs gekennzeichnet, wobei sich diese Veränderungen noch komplett zurückbilden können. Bei schwereren Verläufen kommt es entweder zum Zelluntergang (Nekrose) des umgebenden Fettgewebes (Peripankeatitis) oder zur Selbstauflösung des Organs selbst. In jedem Fall kann sich die Entzündung entlang der Spalten im hinteren Bauchraum bis ins kleine Becken ausbreiten. Zusätzlich werden Giftstoffen in die Blutbahn ausgeschwemmt, die den gesamten Körper belasten. In diesen Fällen bestimmt bereits die Einschränkung lebenswichtiger Organe die Symptomatik. Dies kann sich in einer Beeinträchtigung des Sauerstoffaustausches in der Lunge äußern, wodurch es zur Atemnot kommt. Häufig ist auch eine Schädigung der Nierenfunktion festzustellen, die einen Rückgang der Harnmenge verursacht. Im weiteren wird die Hirnfunktion beeinträchtigt und die Bewusstseinslage eingeschränkt.

In jeder Phase der Entzündung kann eine bakterielle Infektion der Verlauf komplizieren. Dabei kann sich die Infektion nur umschrieben auf einen Bauchspeicheldrüsenteil beschränken und zu einem Abszess führen. Anderseits ist allerdings auch eine Ausbreitung auf den gesamten Bauchraum oder den gesamten Organismus möglich.

Die Diagnose einer Pankreatitis wird bei akuten Bauchschmerzen, kombiniert mit eindeutiger Erhöhung von Amylase bzw. Lipase (am Beginn der Erkrankung reichen diese Werte über zumeist über das 3fach der oberen Normgrenze), gestellt. Bei der Pankreasamylase und Lipase handelt es sich um körpereigene Enzyme, die von der Bauchspeicheldrüse produziert werden und für die Verdauung von Eiweiß und Fett notwendig sind. Die Höhe des Enzymanstiegs korreliert dabei nicht mit dem Schweregrad bzw. der Prognose.

Von den bildgebenden Verfahren kommt zuerst der Ultraschall zum Einsatz. Unter der Voraussetzung von guten Untersuchungsbedingungen – diese sind bei dickleibigen Patienten und bei starken Blähungen durch die Luft im Oberbauch deutlich eingeschränkt – liefert die Ultraschalluntersuchung nicht nur eine sichere Aussage über den Zustand des Organs, sondern kann auch Steine in der Gallenblase und in den Gallenwegen erkennen.

Eine Computertomographie, verstärkt durch Kontrastmittel, ist zur Diagnose der akuten Pankreatitis nicht notwendig. Wichtig wird diese Untersuchung jedoch im weiteren Verlauf – ab dem 3. Tag, in Einzelfällen bei fulminanter Dynamik der Symptomatik auch früher – zum Nachweis von Nekrosen in der Bauchspeicheldrüse. Unterschiedliche Untersuchungen lassen offen, ob Ausmaß und Lokalisation der Nekrosen für den Schweregrad und die Prognose relevant sind. Dies zeigt auch die Problematik auf, dass Klinik, Organversagen und die bildgebenden Untersuchungen (Ultraschall und CT) nicht immer übereinstimmen.

die Suche nach Gallengangssteinen

Wichtig ist auf jeden Fall nach vorhandenen Gallensteinen zu suchen, wobei vor allem der Nachweis von Steinen im Gallengang für das therapeutische Vorgehen entscheidend ist. Ein steinfreier Gallengang schließt die biliäre Genese – das heißt, dass Gallengangssteine auslösend waren – nicht aus, da Steine bereits abgegangen sein können bzw. kleinste Steine gelegentlich der Diagnostik entgehen. Bei Gallenblasensteinen und fehlendem Alkoholkonsum ist eine biliäre Genese wahrscheinlich. Ein Anstieg der Leberfunktionsproben (GPT, GOT, alkal. Phosphatase oder Bilirubin) und eine Erweiterung des Gallenganges im Ultraschall (normal 6 bis max 9 mm) weist auf eine biliäre Genese hin. In diesem Fall wird zur weiteren Diagnostik eine ERCP (siehe ERCP/Endoskopie) angeschlossen, die nicht nur die Konkremente sicher beweisen sondern gleichzeitig auch noch entfernen kann.

Bleibt die Ursache unklar, sollte erst nach Abklingen der akuten Entzündung eine diagnostische ERCP erfolgen. Ziel ist die Erkennung eines zuvor nicht festgestellten Steines oder eines Tumors im Bereich der Gallengänge und Bauchspeicheldrüse.

Die Behandlung jeder Form einer Bauchspeicheldrüsenentzündung ist Aufgabe eines Krankhauses, wobei die Möglichkeit einer Intensivstation gegeben sein sollte. Eine intensivmedizinische Überwachung ist nicht sofort notwendig, wichtig wird sie jedoch bei einem schweren Krankheitsbild.

Eie ausreichende Infusionstherapie ist fürs erste die wichtigste Behandlung. Eine Nahrungskarenz wird bis zur Schmerzfreiheit empfohlen, unabhängig vom Enzymverlauf. Bei Patienten mit schwerer Verlaufsform und wenn ein baldiger Kostaufbau nicht möglich erscheint, wird eine komplette intravenöse Ernährung erforderlich.

Zur Behandlung der starken Schmerzen muss eine entsprechende medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Diese wird intravenös, gelegentlich aber auch über eine Kanüle direkt in den Wirbelkanal verabreicht.

ERCP nur bei Gallengangssteinen

Die Kenntnis der auslösenden Faktoren ist wichtig, da oft durch eine erfolgreiche Behandlung der Grunderkrankung einen besserer Verlauf erwartet wird. Dies gilt in erster Linie bei Vorliegen von Gallengangssteinen. Besteht anhand von Laborparameter und Ultraschall der Verdacht auf einen Gallengangsstein, dann ist eine ERCP dringlich indiziert (siehe Gallengangssteine/Therapie). Bei alkoholinduzierter Pankreatitis ist eine ERCP nicht zwingend erforderlich. Mit der ERCP kann der gemeinsame Ausführungsteil des Gallenganges und des Bauchspeicheldrüsenganges erweitert werden, wodurch im Anschluss die Entfernung der Steine möglich wird. Ist eine endoskopische interventionelle Sanierung eines Gallengangverschlusses nicht möglich, ist die operative Therapie indiziert. Wenn keine Verbesserung des klinischen Bildes eintritt und ein Organversagen vorliegt, so ist eine sehr schwere Verlaufsform mit Nekrosen (Zelluntergang größerer Pankreasanteile) eventuell auch mit einer Infektion anzunehmen. Bei Verdacht auf Nekroseinfektion ist die ultraschallgezielte Feinnadelpunktion die beste Methode zum Nachweis derselben. Besteht bei einem schweren Verlauf jedoch keine Infektion erscheint es vertretbar, dass eine konservative Behandlung bis zum Abklingen der systemischen Entzündung fortgesetzt wird. Eine chirurgische Intervention ist dann oft nicht mehr notwendig.

Nekrosektomie und Lavage

Bei Nachweis einer Nekroseinfektion ergibt sich als therapeutische Konsequenz in der Regel die operative Sanierung. Die bevorzugte Operation ist die Entfernung der abgestorbenen Anteile in Kombination mit einem Lavage-Verfahren. Darunter werden die Spülung und die Reinigung der Bauchhöhle mit einer sterilen Flüssigkeit verstanden. Bei schweren Verläufen ist es oft notwendig diese Spülungen täglich zu wiederholen, wobei der Bauch entweder offen gelassen wird oder auch mit einer Art Zipp verschlossen werden kann. Bei den sogenannten geschlossenen Lavage-Verfahren wird der Bauchraum über mehrere dicke Kanülen mit bis zu 100 Liter täglich gespült. Die Dauer einer Lavagetherapie richtet sich nach dem Verlauf der Pankreatitis und dem Allgemeinzustand des Patienten, wobei gelegentlich nur eine Lavage, in der Mehrzahl der Fälle jedoch mehrere oft bis zu Monate andauernde Spülungen vorgenommen werden müssen.

die intensivmedizinischen Maßnahmen

Die Patienten werden während dieser Zeit aufwendig intensivmedizinisch betreut. Bei einer solchen schweren Verlaufsform mit Einschränkung der Atemfunktion ist eine frühzeitige maschinelle Beatmung des Patienten notwendig, wobei die Patienten in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt werden. Bei Rückgang der Nierenleistung empfiehlt sich der frühzeitige Einsatz einer Nierenersatztherapie wie der Hämofiltration oder der Hämodialyse.

Behandlung von Pseudozysten

Ca. 25-50 % aller postakuten Pseudozysten zeigen im natürlichen Verlauf eine Spontanheilung. Asymptomatische Pseudozysten müssen nicht behandelt werden. Symptome verursachen Zysten zumeist erst ab einer Größe von 6-10 cm, wenn sie durch den Druck auf andere Organe einwirken. Ultraschallgezielt können in diesen Fällen spezielle Katheter gelegt werden, wodurch eine sichere und effektive Methode zur Dekompression gegeben ist. Alternativ kann in erfahrenen Zentren ein solches Drain auch endoskopisch vom Magen aus in die Zyste eingebracht werden (endosonographische Zystogastrostomie). Da diese Drainageverfahren eine deutliche Rezidivrate aufweisen, muss in diesen Fällen ein chirurgischer Eingriff durchgeführt werden. Als Standard der chirurgischen Dekompression einer symptomatischen Pseudozyste gilt die Verbindung der Zyste mit einer Dünndarmschlinge, wodurch sich das Sekret dauerhaft in den Darm entleeren kann. Alternativ wird bei einer symptomatischen Pseudozyste im Pankreasschwanzbereich auch eine Entfernung dieses Pankreasanteils, zumeist kombiniert mit einer Milzentfernung durchgeführt. Diese Verfahren sind sicher und weisen eine Mortalität unter 5 % auf, die Rezidivraten betragen 5-10 %.