Gallengangsteine

Der Ort der Steinbildung ist fast immer die Gallenblase. Steine im Gallengang stammen demnach fast immer aus der Gallenblase. Kommt es nach Entfernung derselben zu einer Steinbildung in den Gallengängen, liegt dem meist ein Abflusshindernis zugrunde. 10% aller Gallensteinträger entwickeln Steine in den Gängen.

Zu 60% werden diese spontan mit aber auch ohne Beschwerden durch den Hauptgallengang und die Mündungsklappe (Papilla Vateri) in den Zwölffingerdarm ausgeschieden. In den übrigen Fällen kommt es zu einem weiteren Wachstum und zum Auftreten von Komplikationen. Zumeist sind ältere Patienten betroffen. Während bei Jüngeren nur jeder Zwanzigste gleichzeitig Steine im Gallengang entwickelt, steigt das Risiko bei den über 80jährigen auf 2:1 an.

Müssen Steine entfernt werden?

Der Nachweis von Steinen in den Gallengängen (Choledocholithiasis oder Cholangiolithiasis) stellt praktisch in jedem Fall die Indikation zur Entfernung derselben – ungeachtet der Tatsache ob Beschwerden bestehen oder nicht. Denn verbliebene Konkremente führen zumeist zu Komplikationen. Die wichtigsten sind eitrige Infektionen der Gallengänge, der kompletter Verschluss mit Rückstau des Gallesaftes und die akute und chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung.

Gallengangssteine verursachen oft erst bei Komplikationen Beschwerden. Ein spontaner Steinabgang kann heftige, krampfartige Schmerzen im rechten Oberbauch verursachen. Zumeist verursachen Steine jedoch eine Abflussbehinderung im Gallengang. Typischerweise besteht ein Ikterus. Darunter versteht man die Gelbfärbung der Haut und der Bindehaut des Auges durch die vermehrte Einlagerung des gelben Gallepigmentes. Andererseits fehlt der Gallefarbstoff im Stuhl, sodass dieser hell oder sogar weiß (acholisch) erscheint. Durch den vermehrten Pigmentgehalt im Harn wird dieser bierbraun und schaumig.

Besteht ein Ikterus in Kombination mit Schmerzen im Oberbauch, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Gallengangsstein vermutet werden. Ein Ikterus ohne Schmerzen kann auch durch Tumore der Bauchspeicheldrüse oder der Papilla Vateri (s.o.) verursacht sein.

Unter einer Cholangitis versteht man die eitrige Infektion der Gallengänge. Die Symptomatik ist durch die Infektion bestimmt. Es besteht zumeist hohes Fieber und unspezifische Beschwerden (Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit) in Verbindung mit Schmerzen im rechten Oberbauch. Bei noch vorhandener Gallenblase muss eine akute Gallenblasenentzündung ausgeschlossen werden.

Dramatisch sind Bauchspeicheldrüsenentzündungen

Besonders schwerwiegend sind Reaktionen der Bauchspeicheldrüse auf die Steine im Gallengang. So werden in 40-80% aller Bauchspeicheldrüsenentzündungen Steine im Gallengang gefunden. Das Sekret der Bauchspeicheldrüse wird im Hauptgang gesammelt (Ductus Wirsungianus) und mündet gemeinsam mit dem Hauptgallengang in den Zwölffingerdarm. Diese gemeinsame Endstrecke ist offensichtlich die anatomische Ursache für die Reaktion der Bauchspeicheldrüse. Durch Steine, die an der Papilla stecken bleiben, kommt es zum Rückstau in die Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Diese sezerniert ein alkalisches Sekret, reich an eiweißauflösenden Enzymen, die für die Verdauung erforderlich sind. Eine Aktivierung dieser Enzyme in der Bauchspeicheldrüse führt zur Auflösung der Zellstruktur und zur Zerstörung des umgebenden Fettgewebes. Es kommt durch die systemische Wirkung auf den gesamten Körper zu einem potentiell lebensbedrohlichen Zustandsbild. Das erste Symptom einer Pankreatitis sind Schmerzen im Oberbauch, oft gürtelförmig und in den Rücken ausstrahlend. Der Bauch ist aufgetrieben und gespannt, es bestehen gastrointestinale Beschwerden mit Übelkeit und Erbrechen. Ein Ikterus weist bereits indirekt auf das Vorliegen eine Passagebehinderung im Hauptgallengang hin. Später kann sich ein Schockzustand mit Sistieren der Nierenfunktion ausbilden.
Eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung ist dagegen durch die anhaltenden Schmerzen gekennzeichnet. Die gestörte Funktion der Bauchspeicheldrüsen führt zu einer Unterernährung mit diversen Mangelerscheinungen sowie zur Ausbildung einer Zuckerkrankheit.

Die Diagnose stützt sich auf die Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte), Labor- und Ultraschallbefunde. Beweisen lassen sich Gallengangssteine sowohl durch röntgenologische Untersuchungen, durch die Magnetresonanztomogaphie, vor allem aber durch die Endoskopie. Die laborchemischen Befunde zeigen zumeist eine mehr oder weniger deutliche Erhöhung der Leberwerte. Dabei sind vor allem GGT und die alkalische Phosphatase (AP) erhöht, weniger stark, oder gar nicht, sind die beiden anderen Transaminasen, GOT und GPT verändert.

Der Gallefarbstoff, das Bilirubin hat einen Normwert von 1,0. Allerdings kann es erblich und stoffwechselbedingt bis zu 2 erhöht sein, ohne dass ein Stein vorliegt. Eine Erhöhung über 2 ist auf jeden Fall ein Hinweis für eine Abflussbehinderung.
Eine Reizung der Bauchspeicheldrüsen manifestiert sich im akuten Stadium durch eine Erhöhung der Amylase und Lipasewerte im Blut. Bei einer Infektion sind die weißen Blutkörperchen vermehrt, die Blutsenkung steigt an und ein unspezifischer Marker für Entzündungsreaktionen (C-reaktives Protein) ist deutlich erhöht.

Eine Ultraschalluntersuchung zeigt den weiten Gallengang

Dieser misst im Durchschnitt 0,6 cm, nach Gallenblasenoperationen 0,9 cm. Bei einem Rückstau der Galle weitet sich der Gang aus und ist im Ultraschall sicher zu diagnostizieren. Bei jüngeren Patienten können sich Gallengangssteine auch in einem schlanken System finden. Die Steine selbst sind im Ultraschall oft nicht darstellbar, da ein großer Abschnitt des Ganges hinter dem Zwölffingerdarm verläuft und sich der Untersuchung entzieht.
Bei der Röntgendarstellung des Gallenganges wird ein Kontrastmittel in eine Vene injiziert und nach wenigen Minuten bereits wieder durch die Leber in die Gallengänge ausgeschieden, sodass diese im Röntgen gut erkennbar werden. Allerdings besteht bei einem Bilirubinwert über 2,5 eine kaum mehr verwertbare Ausscheidung, wodurch die Aussagekraft stark beeinträchtigt wird. Da das Kontrastmittel auch eine potentielle Belastung für latente Schilddrüsenerkrankungen darstellt und Allergien gegenüber den Kontrastmitteln immer häufiger werden, verliert die intravenöse Cholangiographie immer mehr an Bedeutung.

MRCP – Standard der Zukunft

Eine gute und sichere Darstellung des Gallenganges gelingt mit der MRCP (Magnetresonanz-Cholangio-Pancreaticographie). Da dieses Verfahren zwar teuer, aber sicher und nebenwirkungsarm ist, wird es zunehmend zum Standard und hat die ausschließlich diagnostische Endoskopie der Gallengänge bereits ersetzt. Bei diesem Verfahren kommt es zur Darstellung von sich bewegenden Flüssigkeitssäulen (Gallesekret und Bauchspeicheldrüsensekret) gegenüber sich nicht bewegenden Organstrukturen. Diese Veränderungen werden dreidimensional abgetastet und einem Rechner zugeführt. Eine digitale Aufarbeitung mit einem elektronischen Enhancement (Verstärkung) kann dreidimensionale, eingefärbte Projektionen der Gangstrukturen erzeugen.

Trotzdem ist die Endoskopie nach wie vor eine Säule der Diagnostik, vor allem wegen der therapeutischen Möglichkeiten. Gleichwie bei einer Spiegelung des Magens wird ein Endoskop in den Zwölffingerdarm bis zur Einmündung des Gallenganges vorgeführt. Anders als bei einem üblichen Endoskop findet sich der bildübertragende Mikrochip hier allerdings nicht an der Spitze sondern seitlich am Endoskop. Nun kann durch die Papille eine dünne Kanüle in den Gallengang vorgeschoben werden. Die Injektion eines Kontrastmittels wird über einen Röntgenschirm dargestellt und dokumentiert.

Die Sanierung der Gallengänge ist eine Domäne der interventionellen Endoskopie. Bestehen auch Gallenblasensteine werden diese wenige Tage nach dem endoskopischen Eingriff laparoskopisch entfernt. Liegt ein Zustand nach Gallenblasenentfernung vor, dann bedeutet die Endoskopie zumeist bereits die definitive Sanierung.
Bei der ERCP (endoskopisch retrograde Cholangio- Pancreaticographie) wird der Patient auf dem Bauch gelagert. Eine leichte Sedierung ist üblich, gegebenenfalls werden während der Untersuchung krampflösende Medikamente injiziert, da die Papille oft spastisch enggestellt ist.

Zunächst wird die Papille aufgesucht und der Gallengang sicher sondiert. Ein Papillotom, das ist eine extrem dünne Sonde mit einem seitlichen Schneidedraht, wird in der Papille platziert und angespannt. Durch elektrischen Strom wird der Schneidedraht derart erhitzt, dass die Papille sorgfältig eingeschnitten werden kann. Dies schafft die Voraussetzungen für die Entfernung der Steine. Eine weitere Sonde mit einem Maschengeflecht wird über den Stein geschoben, wodurch dieser gefasst und entfernt werden kann. Eine weitere Möglichkeit besteht darin eine Kanüle mit einem kleinen aufblasbaren Ballon weit in den Gallengang vorzuschieben. Nach der Füllung des Ballons wird dieser vorsichtig durch den Gallengang gezogen, wodurch sich kleine Steine leicht entfernen lassen.

Lithotripter, Babyscope und weiter Möglichkeiten

Größere Steine müssen zuerst zerkleinert werden, da sie endoskopisch nicht geborgen werden können. Dies ist mechanisch mit einem sogenannten Lithotripter möglich. Dabei wird der Stein zunächst mit einem Drahtgitter eingefangen und durch ständige Kompression fragmentiert. Die kleinen Teile lassen sich danach leicht entfernen. Auch mit speziellen Ultraschallsonden, die bis an die Steine gebracht werden, können diese “geklopft” werden. Nach den Erfolgen der extrakorporalen Schockwellenlithotripsie bei Nierensteinen wurde auch dieses Verfahren, allerdings mit wechselndem Erfolg, bei Gallengangsteinen angewandt. Die zerkleinerten Fragmente müssen anschließend endoskopisch entfernt werden.
Weitere Möglichkeiten ergeben sich durch die Entwicklung spezieller Endoskope. Ein Motherscope (Mother wie Mutter) ist ein gering größeres Endoskop, durch dessen Führungskanal ein entsprechend dünnes, aber vollwertiges Babyscope durchgeführt werden kann. Mit diesem Babyscope kann nun der gesamte Gallengang bis zur Leber genau inspiziert werden. Durch kleine Kanäle im Babyscope können Gewebeproben entnommen werden. Festhaftende Steine können gezielt luxiert und entfernt werden.
In 90 Prozent der Fälle gelingt es durch endoskopische Verfahren eine Steinfreiheit zu gewährleisten. Die häufigsten Komplikationen sind die Blutung aus der Papillenschnittfläche (2%), eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse (1,2%), eine Infektion der Gallengänge oder eine Perforation (jeweils 1%). Gelegentlich gelingt es auch nicht in einer Sitzung alle Steine zu entfernen und die ERCP muss einige Tage später wiederholt werden.

Wenn Steine nicht entfernt werden können

Alle verbliebenen Steine sind eine Indikation für ein operatives Verfahren. Der Gallengang führt von der Leber zum Zwölffingerdarm. Im mittleren Segment wird der Gallengang eröffnet und die Steine über eine Sonde entfernt, anschließend wird die Durchgängigkeit der Papille überprüft. Die Operation wird nach Naht des Gallenganges und Einlage eines Drains in denselben beendet. Dies dient zur Ableitung der Galleflüssigkeit während der ersten Woche. In den letzten Jahren wurde diese Operation an einigen Abteilungen bereits laparoskopisch durchgeführt.