Magengeschwüre (Ulkuskrankheit)
Unter einem Ulcus (Geschwür) versteht man eine umschriebene Entzündung mit einem kraterförmigen Defekt der Schleimhaut, der die gesamte Magenwand betreffen und bis zum Durchbruch führen kann.
Geschwüre kommen zumeist im Ausführungsteil des Magens und am Beginn des Zwölffingerdarmes vor. Eine verstärkte Magensäureproduktion wurde bislang als Grundlage für die Entstehung von Ulcerationen angesehen und die Behauptung “ohne Magensäure kein Ulcus” wurde zum Dogma erhoben. Die Erkenntnisse über die Bedeutung des Helicobacter pylori führten wiederum zur Annahme einer Infektion als Ursache.
Auch emotionelle Aufregungen und berufliche Überlastung können über komplexe zentralnervöse Regulationsmechanismen ulkusauslösend wirksam werden. Nachgewiesen werden konnte die Wirkung von verschiedenen Medikamenten. Besonders wird auf Acetylsalicylsäure und Cortison, aber auch auf äußere Noxen wie Koffein, Alkohol und Nikotin aufmerksam gemacht.
Von einem Geschwür werden Männer 3 mal häufiger betroffen als Frauen. Ulzera im Zwölffingerdarm (Duodenum) treten in der Regel erstmalig früher (vor dem 30. Lebensjahr), Ulzera im Magen (Ventriculus) später auf. War die Tendenz zu einem Rezidiv früher bis zu 50%, so konnte diese Rate durch die Elimination des Helicobacter deutlich gesenkt werden.
Symptome und Beschwerden
Hauptsymptom des unkomplizierten Ulcus ist der Schmerz im Oberbauch. Typischerweise wird dieser beim Ulcus duodeni in der Mitte und nach rechts ausstrahlend angegeben und als Nüchternschmerz charakterisiert (Besserung durch Nahrungszufuhr, aber neuerliche Beschwerden 2-3 Stunden später). Beim Magengeschwür führt eine Nahrungszufuhr eher zur Verschlechterung der in der Mitte des Oberbauches, oder gelegentlich links seitlich angegebenen Schmerzen. Es besteht eine Übelkeit und Appetitlosigkeit gegenüber Kaffee und fettreicher Nahrung, sowie gegenüber Zitrusfrüchten und kohlesäurehydratreichen Getränken.
Blutungen sind die häufigsten Komplikationen
Ein Geschwür kann ein darunterliegendes Blutgefäß arrotieren (schädigen), das die Gefäßwand aufbricht und eine Blutung in den Magen oder Zwölffingerdarm die Folge ist (20%). Je nach Intensität der Blutung fällt ein schleichender Blutverlust zumeist nicht auf, während eine massive Blutung zum Bluterbrechen führt. Es kommt zum Absetzen eines flüssig breiigen, tiefschwarzen “Teerstuhles”. Dieser ist immer die Folge eines Blutverlustes in den Magen-Darm-Trakt und sollte sofort abgeklärt werden.
Ulcerationen im Bereich der Vorderseite von Magen oder Zwölffingerdarm können in die freie Bauchhöhle durchbrechen (Perforation). Durch das entstandene Loch tritt Magensekret in die Bauchhöhle und verursacht eine Entzündung des Bauchfells (Peritonitis). Eine Perforation ist durch schlagartig einsetzende, heftige Schmerzen gekennzeichnet. Jede Bewegung und Erschütterung wird durch die extreme Reizung des Bauchfells zur Qual. Die Patienten liegen zumeist in einer Seitenlage mit angezogenen Beinen, da dies am besten toleriert wird.
Eine Schrumpfung und Narbenbildung im Ulkusbereich können eine Passagebehinderung im oberen Magen Darmtrakt verursachen. Unspezifisch bestehen zunächst Übelkeit und Appetitlosigkeit. Zumeist liegt kein kompletter Verschluss, sondern eine Engstellung (Stenose), die für flüssige Nahrungsbestandteile durchgängig bleibt. Die Folgen eines länger bestehenden Hindernisses sind Mangelernährung und schleichender Gewichtsverlust. Bei einer hochgradigen Stenosierung kommt es zum rezidivierenden Erbrechen 1-2 Stunden nach der Nahrungszufuhr. Als Folge der Magenblähung zeigt sich eine druckschmerzhaft Vorwölbung im Oberbauch. Durch den Rückstau der Nahrungsbestandteile besteht zumeist in Reflux in die Speiseröhre mit den entsprechenden Beschwerden einer Speiseröhrenentzündung, wie Sodbrennen und Schmerzen hinter dem Brustbein.
Können Geschwüre bösartig werden?
Während Geschwüre des Magens bösartig (maligne) werden können, kommt dies bei Ulcerationen im Zwölffingerdarm praktisch nie vor. Die Symptome sind hochgradig unspezifisch und werden durch Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit, zumeist gegen bestimmte, früher gut vertragene Speisen gekennzeichnet.
Diagnose
Beschwerden im Oberbauch sind häufig. Bei längerem Fortbestehen oder bei wiederholtem Auftreten ist eine endoskopische Abklärung erforderlich. Dadurch kann eine sichere Diagnose gestellt oder eine Infektion mit Helicobacter pylori bewiesen werden. Ulcerationen im Magen müssen bioptisch (Gewebeprobe) untersucht werden, um eine maligne Entartung auszuschließen.
Bei einer Röntgenuntersuchung werden der Magen und der Zwölffingerdarm durch eine Bariumbreimischung kontrastiert. Dabei stellt sich das Ulcus als Nischenbildung im Verlauf des inneren Schleimhautreliefs dar. Ein röngtenologischer Verdacht auf ein Ulcus sollte endoskopisch abgeklärt werden. Durch die geringe Akzeptanz der Gastroskopie wird leider oft der weniger aussagekräftigen Röntgenuntersuchung der Vorzug gegeben.
Indiziert ist eine Röntgenuntersuchung vor allem bei Komplikationen. Ein Durchbrauch ist durch die freie Luft im Bauchraum sicher zu diagnostizieren. Auch der Grad einer Stenose kann durch eine Röntgenpassageuntersuchung festgestellt werden.
Blutungen im gesamten Darmtrakt werden oft erst durch eine Untersuchung des Stuhles auf Blutspuren erkannt. Ein schleichender Blutverlust führt durch Aufbrauchen der Eisenreserven zu einem Eisenmangel im Blut. Endoskopische Abklärungen von Magen und Darm sollten angeschlossen werden.
Therapie
Waren bis vor 10 Jahren Operationen wegen Ulcerationen noch üblich, so ist heute durch neue pharmakologische Substanzen und durch die Erfolge der interventionellen Endoskopie die Indikation zu einem operativen Eingriff nur noch bei Komplikationen des Ulkusleidens gegeben.
Die medikamentöse Therapie bedeutet zunächst die Elimination eines nachgewiesenen Helicobacter pylori durch eine entsprechende Kombinationstherapie über die Dauer von einer Woche.
Im Hinblick auf die weitere konservative Behandlung stehen folgende Substanzklassen zur Auswahl: Die sogenannten H2-Blocker (Zantac®, Ulsal®, ..) führen zu einer raschen Ulkusabheilung und sind somit in der Akut- wie auch in der Langzeittherapie indiziert.
Eine komplette Hemmung der Säuresekretion wird durch die Protonenpumpeninhibitoren (PPI) erzielt. Bislang durchgeführte Studien zeigen, dass die PPI´s den H2-Blockern in der Behandlung überlegen sind.
Filmbildner (z.B. Ulcogant®) überziehen die Schleimhaut und das Ulcus und verhindern so das Eindringen von Säure und anderer aggressiver Faktoren.
Diätische Maßnahmen sind umstritten
Während Untersuchungen zu dem Schluss kommen, dass es keine spezielle Ulkusdiät gibt, finden wir unzählige medizinische Ratgeber mit Ernährungsvorschriften. Selbst in den meisten Krankenanstalten ist der Begriff “Magenschonkost” Standard. Generell wird die Empfehlung gegeben, die Dinge, die nicht vertragen werden, zu meiden. Kaffee und Alkohol in kleinen Mengen sind erlaubt. Sinnvoll erscheint durch eine vernünftige Reduktion der Nahrungszufuhr, vor allem vor dem Schlafengehen, eine Überblähung des Magens zu vermeiden. Ganz verzichtet werden sollte auf den Genuss von Nikotin.
Eine stationäre Behandlung ist nur bei den Komplikationen der Ulkuskrankheit erforderlich. Ulcerationen des Magens und Zwölffingerdarmes haben eine hohe Spontanheilungsrate. Eine medikamentöse Therapie ist üblicherweise für 3-6 Wochen erforderlich. Sollte es nach einer 12wöchigen Therapie zu keiner Abheilung des Ulcus gekommen sein, muss an ein Karzinom des Magens gedacht werden.
Interventionelle Behandlung der Komplikationen
Blutungen können zumeist endoskopisch gestillt werden. Durch einen dünnen Kanal des Endoskopes wird eine Kanüle mit einer Nadelspitze vorgeschoben. Dann werden wenige Milliliter Äthoxysklerol oder Adrenalin und unter das Ulkus injiziert. Dadurch wird die Durchblutung gedrosselt und die Blutung gestillt. Eine andere Therapiemöglichkeit ist durch das Verkleben der Ulzera gegeben. Dabei kann durch die Injektion eines schnell härtenden Harzes eine Kompression des blutenden Gefäßes erreicht werden.
Auch Stenosen (Verengungen) sind interventionell endoskopisch behandelbar. Eine dünne Sonde mit einem Ballon an der Spitze wird unter Sicht durch die Verengung geführt. Mit vorsichtiger Insufflation von Luft oder Wasser wird der Ballon entfaltet und nach Erhöhung des Druckes kann die Verengung aufgedehnt werden. Durch eine Wiederholung dieser Maßnahme kann operativer Eingriff vermieden werden.
Wann ist eine Operation notwendig?
Die Indikation zu einer Operation wird beim unkomplizierten Ulkus durch die Erfolge medikamentöser Maßnahmen selten gestellt. Magenerhaltend ist eine Vagotomie. Darunter versteht man die magenwandnahe Durchtrennung der Nervenäste des Nervus Vagus, wodurch die Säureproduktion eingeschränkt wird.
Die Magenresektion bedeutet die Entfernung eines Teiles des Magens. Zur Behandlung des Ulkusleidens werden die beiden unteren Drittel des Magens und der Anfangsteil des Zwölffingerdarmes entfernt. Hier sind die von Billroth bereits Ende des letzten Jahrhunderts beschriebenen Operationen zu nennen.
Heute beschränkt sich die Chirurgie zumeist auf die Therapie der Komplikationen. Perforationen müssen, wegen der Entzündung des Bauchfells, rasch operiert werden. Dies ist heute bereits oft laparoskopisch möglich. Über kleinste Hautschnitte wird zunächst der Bauchraum mit Luft aufgefüllt. Die Lücke der Magen- oder Zwölffingerdarmwand kann mit wenigen Nähten verschlossen werden. Wichtig ist auch die komplette Reinigung der gesamten Bauchhöhle von Magensekretresten und entzündlichen Belägen.
Auch endoskopisch nicht beherrschbare Blutungen müssen rasch operiert werden, wobei den kleineren und weniger belastenden Eingriffen (Ulkusumstechung) der Vorzug vor den größeren resezierenden Verfahren (Operation nach Billroth) gegeben wird.