Leistenbruch (Hernia inguinalis)
Infos zum Leistenbruch:
Unter einer Hernie versteht man eine Lücke im Bereich der Bauchdecke, verbunden mit einer meist sackartigen Vorwölbung des Bauchfells. In diese Ausstülpung können sich diverse Bauchorgane verlagern, meist handelt es sich dabei um Netzanteile oder Dünndarm.
Unterschieden werden die Hernien nach der Lokalisation der Bruchlücke:
Leistenbruch (Hernia inguinalis)
Schenkelbruch (Hernia femoralis)
Nabelbruch(Hernia umbilicalis)
Narbenbruch (Hernia cicatricea)
Sonderformen sind innere Brüche und der Zwerchfellbruch (Hiatushernie)
Wodurch entsteht ein Leistenbruch:
Wenn die Bauchdecke dem intraabdominellen Druck nicht mehr standhalten kann kommt es an umschriebenen Schwachstellen zu Bruchlücken. Ursache sind langdauernde körperliche Anstrengungen, chronischer Husten und starkes Pressen bei Darmentleerungsstörungen. Bei Kleinkindern ist der Leistenbruch oft angeboren. Bei älteren Menschen handelt es sich eher um eine Bindegewebsschwäche.
Der Leistenbruch tritt bei Männern viermal häufiger auf als bei Frauen, bei diesen kommt es dafür häufiger zum Schenkelbruch. Dieser fällt oft erst im eingeklemmten Zustand auf. Nabelbrüche betreffen beide Geschlechter und sind zumeist Folge außergewöhnlich reichhaltiger Ernährung. Narbenbrüche kommen nach 10 % aller großen Bauchoperationen vor. Diese Rate steigert sich deutlich, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen.
Symptome und Beschwerden
Die ersten Anzeichen sind eher uncharakteristisch. Zumeist macht sich ein Bruch zunächst durch ziehende Beschwerden oder ein Brennen in der Leiste bemerkbar. Später wird die Vorwölbung zunehmend deutlicher sichtbar. Anfangs kann der Bruch leicht mit der Hand rückverlagert werden.
Bei einer Einklemmung muss rasch gehandelt werden
Mit dem Vorfall innerer Organe lässt sich der Bruchinhalt immer schwerer zurückdrängen. Es kommt zu Schmerzen vor allem bei körperlicher Anstrengung. Unterschieden werden muss zwischen einem nicht reponiblen und einem eingeklemmten Bruch. Bei einem nicht reponiblen Bruch ist der Bruchinhalt fixiert und kann nicht mehr zurück verlagert werden.
Im schlimmsten Fall kann sich der Bruchinhalt derart einklemmen, dass die Durchblutung hochgradig gestört wird. Dieser Zustand wird durch heftigste lokale Schmerzen gekennzeichnet. Die Haut über dem Bruch ist nun stark gerötet und eine Berührung wird kaum mehr toleriert. Zumeist klagen die Patienten über Übelkeit und Erbrechen. Eine rasche Operation einem Krankenhaus ist erforderlich, da längeres zuwarten zu einer schweren Schädigung des Darmes führen kann.
Diagnose
Brüche werden in aller Regel klinisch erkannt. In seltenen Fällen kann ein Bruch auch durch eine Ultraschalluntersuchung oder eine Computertomographie diagnostiziert werden. Neuerdings kommt auch die Laparoskopie bei unklaren Schmerzen im Leistenbereich zu Einsatz und bietet bei gesicherter Diagnose die Möglichkeit zur Therapie.
Klinische Untersuchung
Bei der Untersuchung wird der tastende Finger entlang der Gebilde des Samenstranges in die Leiste geführt. Dort kann der äußere Leistenring leicht getastet werden. Eine prall elastische Resistenz ist meist Hinweis für die Vorwölbung des Bauchfelles. Die Aufforderung zum Husten und Pressen macht diesen Befund deutlicher.
Da Brüche auch oft auf beiden Seiten vorkommen, muss immer die Gegenseite kontrolliert werden. Die Untersuchung ist für den Geübten einfach. Trotzdem können sich auch Profis täuschen und kleine Brüche übersehen. Insbesonders ergeben sich oft Schwierigkeiten bei vergrößerten Lymphknoten in der Leistenregion.
Therapie
Mit der Diagnosestellung besteht gleichzeitig die Indikation zur Therapie. Konservative Verfahren, wie zum Beispiel das Tragen eines Bruchbandes werden heute kaum noch empfohlen. Kontraindikationen zu einer Operation sind die allgemein gültigen Kontraindikationen zur Narkose oder hochgradige Einschränkungen der Herz-Lungenfunktion. Auch bei schwer übergewichtigen Patienten ist eine Indikation nur vorsichtig zu stellen, da das Rezidivrisiko enorm zunimmt.
Zumeist besteht mit der Diagnosestellung auch die Indikation zu einer Reparation. Spontanheilungen sind in aller Regel selten. Der Operationszeitpunkt ist beim beschwerdefreien Patienten nicht zwingend rasch festzulegen. Allerdings sollte der Patient bis zur Operation schwere körperliche Anstrengungen weitgehend vermeiden und auf die Risiken einer Einklemmung aufmerksam gemacht werden.
Bei den operativen Reparationsmöglichkeiten wird zwischen konventionellen und den neueren laparoskopischen Verfahren unterschieden.
Bassini, Shouldice und Liechtenstein
Die Operationsmethode nach Bassini ist seit Ende des vorigen Jahrhunderts bis heute eine gängige und gute Methode. Dabei wird ein Teil des Leistenkanales unter Spannung verschlossen. Zwei Nahtreihen (Muskulatur und Faszie) engen den Durchtritt des Samenstranges, der in das Unterhautgewebe verlagert wird, derart ein, dass nur noch eine enge Lücke für die Hodengefäße persistiert.
1959 entwickelte Shouldice eine neue Methode zum Verschluss der Leiste. Nun wurde auf einen schichtgerechten Verschluss geachtet, wobei die Hinterwand des Leistenkanals zu Stärkung gedoppelt wurde.
Mit dem zunehmenden Einsatz von prothetischen Materialien in der Hernienchirugie wurde in den letzten Jahren vor allem die Plastik nach Liechtenstein populär. Hierbei erfolgt der Verschluss der Bauchdecke durch ein, unter die oberflächliche Faszie eingebrachtes, Kunststoffnetz.
Alternativ dazu sind die laparoskopischen Methoden anzuführen
Hierbei wird die Bruchlücke von innen her verschlossen. Über eine dünne Nadel wird der Bauch mit einem speziellen Gasgemisch gefüllt. Nun wird eine kleine Kamera in den Bauch geführt. Über zwei weitere Einstiche im linken und rechten Unterbauch kann nun operiert werden. Im Prinzip wird über die gut einsehbare Bruchlücke ein großes Kunststoffnetz gelegt und mit wenigen Klammern fixiert. Anschließend können alle Instrumente wieder entfernt werden. Die Entscheidung welche Technik die Beste ist, ist zumeist individuell zu stellen.
Abhängig gemacht wird die Entscheidung
von der Art des Bruches (erstes Auftreten oder Rezidiv),
von der Größe des Bruches (kleine angedeutete Vorwölbung oder bis in den Hodensack reichend)
vom Zustand der Bauchdecken (straff oder extrem weich)
vom Allgemeinzustand (Narkosefähigkeit: Vollnarkose oder lokale Betäubung)
vom Alter des Patienten (Kind-Jugendlicher-Erwachsener-älterer Patient [über 80 a])
vom Geschlecht (m, w)
von der postoperativen Beanspruchung (kurze und rasche Rekonvaleszenz erforderlich oder nicht)
von einer Abneigung gegenüber einer Implantation von Fremdmaterial
von der Erfahrung des Chirurgen mit der jeweiligen Methode!
Rezidivraten von 0,5 – 5%
Beurteilt wird die Qualität des Verfahrens in erster Linie durch die Rezidivraten. Diese werden an spezialisierten Abteilungen zwischen 0,5 bis 5 % angegeben (sind aber wahrscheinlich doch höher, da Langzeitbeobachtungen kaum möglich sind). Die spannungsfreien Methoden schneiden dabei gering besser ab. Ebenso wichtig wie das Rezidivrisiko ist aber auch die postoperative Befindlichkeit und die rasche Wiedereingliederung ins tägliche Leben. Hier ist ein geringer Vorteil der laparoskopischen Methode gegeben.
Zur Beurteilung der Methoden müssen auch die entsprechenden Risiken herangezogen werden.
Allgemeine Risiken betreffen alle Operationen. Bei einem Leistenbruch muss auf die mögliche Nachblutung oder auf eine Infektion im Operationsgebiet hingewiesen werden. Postoperative Durchblutungsstörungen des Hoden sind sehr selten und eher bei Rezidiven. Bei den laparoskopischen Verfahren ist eine Verletzung eines Darmanteiles durch den Zugang durch den Bauchraum möglich. Ein spezielles Risiko besteht bei einer Unverträglichkeit gegenüber einem implantierten Fremdgewebe. Dies äußert sich zumeist durch anhaltende Beschwerden im Operationsgebiet und macht die Entfernung des Kunststoffnetzes erforderlich. Jedoch sind alle diese Komplikationen eher selten, mit einer Unverträglichkeit muss in ca. 1-2% gerechnet werden.
Eine postoperative Schonung ist wesentlich
Die Nachbehandlung nach einer Operation besteht in erster Linie in einer konsequenten körperlichen Schonung. Dabei wird vor allem auf das Heben und Tragen schwerer Lasten hingewiesen. Als zeitliche Richtlinie bis zur Ausübung der normalen körperlichen Aktivitäten werden 2-3 Wochen bei den laparoskopischen, 3-12 Wochen bei den konventionellen Methoden angegeben.
Eine Vorsorge zur Vermeidung eines Bruches ist eigentlich nicht möglich. Empfehlungen wie: “Vermeiden Sie Gewichtszunahme” oder “Verteilen Sie Ihr Gewicht gleichmäßig auf den Körper” sind zwar gut gemeint, für den Patienten jedoch von geringer Hilfe.